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An in die Metropolregion Stettin

Data publikacji: 30 maja 2019 r. 14:25
Ostatnia aktualizacja: 30 maja 2019 r. 14:25
An in die Metropolregion Stettin
Stettin. Wird die Stadt zur Metropole der nördlichen Grenzregion? Foto: Bogdan TWARDOCHLEB  

„Wir wollen noch stärker von der Strahlkraft der Metropole Stettin profitieren. Unser Ziel ist es, die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter auszubauen, damit auf beiden Seiten der Grenze Arbeitsplätze entstehen und gesichert werden”, sagte Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, nachdem sie die Vereinbarung über die Eröffnung eines Koordinationsbüros für die Zusammenarbeit mit der Stettiner Metropolregion in Anklam unterzeichnet hatte.

Die Vereinbarung hatten Manuela Schwesig und Dietmar Woidke, Ministerpräsident von Brandenburg, Ende März auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung in Wittenberge unterschrieben. Auch Stettin begrüßte den Beschluss. Auf dem 85. Treffen des Deutsch-Polnischen Unternehmerforums in Schwedt wurde viel darüber diskutiert.

Das Koordinationsbüro soll unter Aufsicht des Parlamentarischen Staatssekretärs für Vorpommern Patrick Dahlemann in Anklam eingerichtet werden. Dort beschäftigt man sich mit der Koordination der verschiedensten Initiativen auf der deutschen Seite der Grenzregion, die die Zukunft Vorpommerns und der nordöstlichen Landkreise Brandenburgs mit Stettin und der Metropolregion verbinden.

Geschichte und Grenze

Es ist offensichtlich, dass sich das soziale und wirtschaftliche Leben von Regionen um die zentralen Städte dreht. Jahrhundertelang war Stettin das Zentrum der Region, die sich auf beiden Seiten der nördlichen Oder und ihrer Mündung in die Ostsee erstreckt. Während der Industrialisierung befand sich die Stadt in räumlicher Interaktion mit Berlin.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene deutsch-polnische Grenze veränderte abrupt die historisch gewachsene Umgebung Stettins, indem sie die Verbindungen nach Westen und Berlin kappte. Seitdem konnte Stettin seine Beziehungen hauptsächlich in Richtung Osten entwickeln. Das wurde mit der Zeit ausschlaggebend für seine räumliche Gestalt.

Die Grenze beeinflusste auch andere Städte entlang der Grenze. Administrative Rigorosität trennte die Stadt Świnoujście von ihrem Hinterland auf der Insel Usedom, weiter im Süden halbierte sie die Städte Frankfurt (Oder), Guben und Görlitz. Auf der rechten Seite von Oder und Neiße entstanden die polnischen Städte Słubice, Gubin, Zgorzelec.

Initativen neuerer Zeiten

Als das Grenzregime milder wurde, verstärkten sich die historischen, räumlichen Verbindungen wieder. Zuerst wuchs das gemeinsame Interesse, die Nachbarn auf der anderen Seite der Grenze kennen zu lernen. Nach dem Fall des eisernen Vorhangs beschleunigte sich diese Entwicklung. Entlang der Grenze entstanden wieder räumliche, funktionale Vernetzungen, jetzt allerdings unter den veränderten Bedingungen der neuen kulturell und sprachlich scharf geprägten Nachkriegsgrenze. Symbolisches Beispiel für die Erneuerung von Verbindungen einerseits und Verteidigung nationaler Identität andererseits ist die gesellschaftliche Bewegung, die zu den deutsch-polnischen Doppelstädten führte: Frankfurt/Słubice, Guben/Gubin, Görlitz/Zgorzelec. In dieser Namensgebung manifestiert sich der Wille zur Zusammenarbeit, aber auch kulturelle Andersartigkeit.

Weiter geht die in gewisser Hinsicht utopische Initiative von Michael Kurzwelly aus Frankfurt (Oder) und Słubice. Als Verfechter angewandter öffentlicher Kunst schuf er vor zwanzig Jahren „Słubfurt” (gebildet aus den beiden Städtenamen Frankfurt und Słubice) als  Versuch, aus beiden Städten einen gemeinsamen kulturellen Raum zu schaffen. Die Neuheit dieser Initiative wird von der jüngeren Idee der Bezeichnung dieses Raums als „Nowa Amerika” – verstanden als eine zu schaffende Region beiderseits der Oder mit der Metropole Słubfurt – noch unterstrichen.

Die Eigentümlichkeit Stettins

Verlassen wir das interessante Projekt angewandter Kunst, das sich nach und nach zu einer gesellschaftlichen Bewegung entwickelt, und kehren wir zur harten Wirklichkeit zurück. In Stettin agiert der „Verein Stettiner Metropolregion”. Ihm gehören die lokalen Selbstverwaltungsorgane der polnischen Orte der Stettiner Umgebung und das der Wojewodschaft an. Der Verein unterstützt „grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit, insbesondere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Gemeinden und Kreisen”. So wurde 2010 eine Vereinbarung zur Erarbeitung einer Konzeption für die polnischen Teile einer grenzüberschreitenden Stettiner Metropolregion unterzeichnet. Auf Initiative deutscher Selbstverwaltungsorgane, vor allem der grenznahen Städte Gartz und Schwedt, der Landkreise Uecker-Randow (heute Landkreis Vorpommern-Greifswald), Uckermark und Barnim, unterstützt von grenznahen polnischen Gemeinden, entstand eine vergleichbare deutsche Bewegung.

In beiden Initiativen, der polnischen und der deutschen, geht es darum, ein Verbindungsnetz rund um Stettin zu schaffen, das es ermöglicht das ganze Potential der Metropole zu entwickeln, zu nutzen und zu verteidigen. So funktionieren alle modernen Metropolen.

Ob sich das Zentrum Stettin ähnlich entwickeln kann? Die Situation ist in diesem Fall eher ungewöhnlich. Zwar bringt die Verwaltungsgrenze heute schon nicht mehr so starke Schwierigkeiten mit sich, aber es gibt immerhin noch die Sprachgrenze und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Nationen mit ihrer jeweiligen Geschichte, Identität, Kultur, Wirtschaft, Sitten und Gebräuche, sowie ein jeweils spezifisches politisches Leben.

Expansion und Probleme

Zu den Chancen der Schaffung einer grenzüberschreitenden Stettiner Metropolregion für die nördliche deutsch-polnische Grenzregion äußerte sich vor kurzem Ulrich Vetter auf dem schon erwähnten Treffen in Schwedt. Vetter ist Vorsitzender der Förder- und Entwicklungsgesellschaft Vorpommern-Greifswald mbH (FEG) und Experte für Angelegenheiten der Verwaltung, Unternehmensberatung und Kommunikation. Er verglich Stettin mit westlichen Metropolen und erklärte, es sei möglich „eine so massive soziale und wirtschaftliche Dynamik zu erzielen, wie das seinerzeit München und Frankfurt am Main erlebt haben”. Derartige Symptome sind schon erkennbar und resultieren u.a. aus den räumlichen Beziehungen zwischen Stettin und Berlin. Die schnell anwachsende Zahl von neuen Firmen in Berlin und Stettin führt zu einer Expansion Berlins nach Osten, Norden und an die Ostsee und zu einer Expansion Stettins nach Westen. Dadurch wächst u.a. die Zahl der sich im nördlichen Grenzgebiet auf deutscher Seite ansiedelnden Berliner und Stettiner. Allerdings bereiten besonders die harte Sprachgrenze und der Mangel an ausreichender Infrastruktur spezifische Probleme.

Zur rechten Zeit

Die Presseagentur DPA zitiert die Aussage Vetters, „die Eröffnung der Geschäftsstelle in Anklam ist ein richtiges Signal zur richtigen Zeit”.

„Aber das reicht nicht”, erklärte Vetter, „denn um das Potential der Stadt und der Region in Gang zu bringen ist eine enge Zusammenarbeit mit den polnischen Partnern auf allen Gebieten entscheidend: Infrastruktur, Wirtschaft, Soziales, Bildung.”

Die in Polen in Angriff genommenen Planungsarbeiten im Zusammenhang mit Stettin als Metropole und der grenzüberschreitenden Metropolregion koordiniert das Raumplanungsbüro des Marschallamtes in Stettin. Die zur Zeit noch kleine, mit zwei  Mitarbeitenden besetzte Geschäftsstelle in Anklam, ist dessen neuer Partner.

EU-Haushalt ist zentral

Patrick Dahlemann sprach bereits mehrfach über den Nutzen, den die auf deutscher Seite liegenden grenznahen Gebiete aus der Kooperation mit Polen und Stettin ziehen. „Unser Ziel ist es, die Entwicklung Stettins noch stärker zu unterstützen”, sagte er auf dem Neujahrstreffen im Deutsch-Polnischen Haus der Wirtschaft in Stettin. Und er fügte hinzu, Polen stehe unter den wichtigsten Wirtschaftspartnern Mecklenburg-Vorpommerns an erster Stelle, aber die wissenschaftlichen und kulturellen Kontakte und der Erfahrungsaustausch auf kommunaler Ebene müssten noch viel stärker unterstützt werden. Auf dem Treffen des Vorpommern-Rates in Anklam berichtete er über die Ergebnisse einer Umfrage seitens der Landesbehörden in Schwerin in Vorbereitung der Gründung der Geschäftsstelle in Anklam. Es habe sich gezeigt, dass 85 Prozent der Befragten die Idee einer grenzüberschreitenden Metropolregion unterstützten und die Zusammenarbeit mit Polen positiv bewerteten.

Dahlemann erklärte darüber hinaus, die weitere Entwicklung gemeinsamer Initiativen im Grenzgebiet werde durch Mittel aus der EU unterstützt. Eben deshalb habe der zukünftige EU-Haushalt eine so zentrale Bedeutung für die Grenzregion.

Man sollte also hoffen, dass die Politiker*innen, die mit der Idee der Schaffung einer grenzüberschreitenden Metropolregion sympathisieren, sich für einen entsprechenden EU-Haushalt einsetzen. Es geht schließlich um Arbeitsplätze, bessere Verkehrsanbindungen, Zutritt zu den kulturellen Institutionen und um den unschätzbaren Wert des Umwelt- und Naturschutzes in der Region.

Elementarer Baustein des Verflechtungsraums

Auch die überregionale deutsche Presse berichtete über die Einrichtung der Geschäftsstelle in Anklam. Außerdem gab es Anfragen den Abgeordneter im Schweriner Landtags.

Nach der Unterzeichnung sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke: „Die grenzüberschreitende Metropolregion ist ein elementarer Baustein des nördlichen deutsch-polnischen Verflechtungsraums. Mit der heutigen Vereinbarung unterstreichen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ihren Willen, eng zusammenzuarbeiten, um die großen Potentiale, die die Nähe Stettins bietet, in Zukunft stärker zu nutzen”.

Die Geschäftsstelle wird am 1. Juli dieses Jahres eröffnet.

Bogdan TWARDOCHLEB

 

Aus dem Polnischen von Ruth HENNING

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