Das Mentoringprogramm „ASDIQA” bringt Berliner und Geflüchtete zusammen. Berliner Polen bilden darin die größte Gruppe, die sich im Rahmen des Programmes engagiert. Gemeinsam mit Flüchtlingen verbringen sie ihre Freizeit und helfen sich gegenseitig. So entstanden Freundschaften. Eigentlich auch kein Wunder, denn das arabische Wort „asdiqa” bedeutet übersetzt Freunde.
Mentoring steht für die partnerschaftliche Beziehung zwischen Meister und Schüler. Der Schüler lernt seine Fähigkeiten kennen, entwickelt und Verbessert sie. Der Name „Mentoring Programm” ist in diesem Fall vielleicht übertrieben, denn bei „Asdiqa”sollen in erster Linie Tandems, also Partnerschaften, gebildet werden. In Tandem verbringt man zusammen Freizeit und unterstützt sich gegenseitig. Zum Beispiel kocht man gemeinsam, wandert, besucht Kinos oder Restaurants, fährt Skateboard, spielt Tennis oder schwimmen. Dies alles in informeller Atmosphäre um die gegenseitige Freundschaft zu fördern.
Ein solches Tandem bilden Robert Poryzał und Jaber Zehr Aldeen. Beide sind neu in Berlin. Robert, der Architekt und Grafiker aus Warschau, kam vor 3 Monaten. Jaber, syrischer Flüchtling, kam vor mehr als 3 Jahren nach Deutschland. Heute studiert er Finanzen und Krisenmanagement und arbeitet bei einer Versicherung: „Gemeinsam haben wir Fahrräder repariert, fuhren zu einem arabischen Lebensmittelladen in der Sonnenallee und kochten traditionelle syrische Gerichte. ”Manchmal”, sagt der 30-jährige Jaber, ”rauchen wir auch eine Wasserpfeife auf dem Balkon.” „ Robert sagt: ”Wir sind unsziemlich ähnlich. Beide lieben wir die Ordnung und es passiert uns, dass wir gemeinsam aufräumen.”
Das „Asdiqa”-Programm wird durch den Polnischen Sozialrat in Berlin betrieben. Jaber und Robert sind eines von 115 Tandempaaren. „Wir verbinden Berliner unterschiedlichster Herkunft und Flüchtlinge”, sagt Dorota Kot vom Polnischen Sozialrat. „In etwa der Hälfte aller Tandempaare engagieren sich Polen. Ein typisches WIN-WIN Programm, ohne Verlierer, alle profitieren davon.”
Zu Anfang brauchten die Flüchtlinge vor allem Unterstützung im Kampf mit der deutschen Bürokratie. Lebensläufe schreiben, Amtsbriefe übersetzen, alles was wichtig ist, um eine Arbeit oder einen Praktikumsplatz zu erhalten. Inzwischen sind sie zumeist so lange in Deutschland, dass sie diese Hilfe nicht mehr brauchen. Die Teilnahme am „Asdiqa”-Programm besteht heute in erster Linie aus Gesprächen, Treffen unter Freunden und gemeinsam verbrachter Freizeit.
Berliner und Flüchtlinge führten unterschiedliche Gründe in dieses Programm. Für die einen war es der Wunsch zu helfen, andere wollten fremde Kulturen kennenlernen. Zu dieser zweiten Gruppe zählt sich Ewa Dąbrowska. Seit einigen Monaten im Tandem mit Ahmad aus Syrien. „Es ging mir nicht um Hilfe, denn die braucht Ahmad eigentlich nicht”, sagt Ewa. „Mehr ging es mir um das Potential, das heute aus aller Welt nach Berlin kommt, auch um die Menschen, die von den schwierigen Lebensbedingungen in ihren Ländern gezwungen wurden. Das will ich kennen lernen.”
Die Treffen zwischen Ewa und Ahmad bestehen in erster Linie aus Gesprächen über Gott und die Welt, morgens in Restaurants, abends im Theater. „Ich warte auf meinen Studienplatz”, sagt Ahmad, „also habe ich viel freie Zeit und die möchte ich gerne nützlich verbringen, mein Deutsch verbessern und neue Leute kennenlernen. Das ist mein Ziel.”
Polen gilt nicht als flüchtlingsfreundliche Nation. Im „Asdiqa”-Programm aber finden sich in der Mehrzahl Flüchtlinge. „Zu uns kommen solche, die erst kurz in Berlin sind, aber auch Menschen, die vor 30 Jahren Flüchtlinge waren und genau wissen, wie schwierig es ist, sich in einem neuen Leben zurechtzufinden. Ohne Vorbehalte gegen Andere geben sie ihre Erfahrungen gerne weiter. Vielleicht auch als Dank für einst selbst erfahrene Hilfe”, sagt Dorota Kot.
Robert Poryzała leidet, wenn er sieht wie viele Polen über Flüchtlinge denken. ”Jeder sollte, sich daran erinnern, wie oft und in welcher Zahl Polen in der Vergangenheit selbst fliehen mussten und im Krieg sogar in die arabische Welt gelangten”, sagt er.
Aber Geschichte ist nicht alles: „Es reicht, mal das eigene Loch zu verlassen, Leute kennen zu lernen”, sagt Robert. „Dann zeigt sich schnell, Flüchtlinge sind uns sehr ähnlich. Sie kennen denselben Schmerz, dieselbe Freude und regen sich über dieselben Dinge auf. Gemeinsam, sie und wir, so denke ich, könnten wir eine bessere Welt schaffen.”
Monika STEFANEK
Freie Journalistin, Berlin
Aus dem Polnischen von Mathias ENGER