Bis vor nicht allzu langer Zeit verhieß das Wort Eurozone nichts Gutes. Das Image der Gemeinschaftswährung war belastet durch die gewaltige Krise, die 2009 begann und fast vier Jahre dauerte. Viele EU-Mitgliedsstaaten stürzten ins Chaos: von Irland über Spanien, Portugal, Italien, Zypern bis Griechenland, das zum Synonym für eine ökonomische Katastrophe wurde. Die Eurozone – das hieß harte Sparpolitik und marktfreundliche Reformen, die jenen Staaten aufgezwungen wurden, die Kredite zur Schuldentilgung in Anspruch nahmen.
Die Begeisterung von EU-Mitgliedsstaaten außerhalb der Eurozone, den Euro auch in ihrem Land einzuführen, ist daher deutlich abgekühlt. Die Polen beispielsweise stehen dem Euro laut Umfragen ablehnend gegenüber, sie wollen lieber ihre eigene Währung behalten. Verständlich – nach Jahren schlechter Nachrichten wurde der Euro selbst zum Synonym der permanenten Krise.
Die Situation beginnt sich zum Besseren zu wenden. 2014 gab es erste Zeichen einer leichten wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone, nach drei Jahren ist daraus ein solides, mehr als zweiprozentiges Wachstum des Bruttoinlandsprodukts geworden. Selbst in den am stärksten von der Krise geschädigten Ländern fiel die Arbeitslosigkeit, Defizite in den öffentlichen Finanzen wurden gedeckelt und die Verschuldung reduziert. Die Gerüchte darüber, ob Griechenland, Italien oder sogar Frankreich die Eurozone verlassen, sind verstummt. Sieben von zehn Bürgern in der Eurozone sind zufrieden mit dem Euro.
Anteil an der Bewältigung der Krise hat die Europäische Zentralbank. Ihre Maßnahmen führten zu einer beispiellosen Senkung der Zinssätze. Kredite wurden so viel günstiger – für Konsumenten, die ein Haus kaufen wollen, für Unternehmen, die die Anschaffung von Maschinen planen, aber auch für Staaten. Auch die schrittweise Lockerung der Haushaltsdisziplin war dem Euro zuträglich, denn so konnte sich wieder Wachstum entwickeln. Instrumente zur Bekämpfung künftiger Krisen wie der Europäische Stabilitätsmechanismus und die bald vollendete Bankenunion haben das Vertrauen von Investoren gestärkt und die Situation an den Finanzmärkten beruhigt. Es hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die Eurozone viel besser für künftige Krisen gewappnet ist, als noch vor 2008.
Die Rückkehr der guten Konjunktur lässt EU-Politiker über eine Vertiefung, eine „Vollendung” der Wirtschafts- und Währungsunion nachdenken. 2017 schlug die Europäische Kommission vor, einen europäischen Finanzminister zu berufen, der die nationalen Haushalte der Mitgliedsstaaten der Eurozone koordinieren würde. Brüssel drängt auch darauf, einen Spezialfonds für Strukturreformen und Investitionsförderung in der Eurozone zu schaffen. Ergänzt würde die neue Architektur durch den Europäischen Währungsfonds – eine Art permanenter Anti-Krisenstab, der Bedrohungen aufspürt und Ländern hilft, die sich in der Krise befinden.
Die Pläne sind aber noch keine beschlossene Sache: ein Hindernis ist der Streit zwischen Frankreich und Deutschland. Präsident Macron strebt die Erhöhung der gemeinsamen Ausgaben an, er will die Eurozone zu einem wahrhaft politischen Integrationszentrum der EU machen. Berlin ist da vorsichtiger: Deutsche Politiker wollen vor allem, dass die neuen Institutionen die Haushaltsdisziplin überwachen. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass nach Bildung der neuen Regierung in Deutschland sich diese unterschiedlichen Sichtweisen angleichen und die Eurozone tiefgreifend umgestaltet wird.
Für Staaten außerhalb der Eurozone, auch für Polen, wird das eine große Herausforderung sein. Die monetäre Union geht klar in Richtung der Schaffung eigener politischer Institutionen. Für die „einfachen” EU-Mitgliedsstaaten kann das leider Marginalisierung bedeuten. Außerdem werden die neuen Finanzinstrumente für die Eurozone in Konkurrenz stehen mit den Mitteln für Agrar- und Strukturpolitik, von denen bislang die ärmeren EU-Mitgliedsstaaten in Mittel- und Osteuropa stark profitiert haben. Einschnitte sind umso wahrscheinlicher, weil unter den Zahlern die Eurozone-Staaten dominieren, zudem fällt wegen des Brexits der Beitrag Großbritanniens weg. Letztlich: Die nach der Krise auskurierte und von Reformen gestärkte Eurozone hat gute Aussichten ein geopolitischer Player zu werden, der über ausreichend Wirtschafts- und Finanzkraft verfügt, um in der Globalisierung mit anderen Mächten zu konkurrieren, vor allem mit den USA und China. Außerhalb der Eurozone zu verbleiben – das heißt sehr wahrscheinlich weniger Einfluss in der internationalen Politik. Vieles weist darauf hin, dass Staaten ohne Euro – also Polen, Ungarn, Tschechien, Rumänien, Bulgarien und Kroatien, aber auch Dänemark und Schweden – bald vor einem politischen Dilemma stehen werden: Soll man sich an der monetären Souveränität freuen und dabei riskieren, bei der Integration außen vor zu bleiben? Oder soll man eher in das politische Projekt einer vertieften Eurozone investieren, das Risiken birgt, aber auch voller Chancen ist?
Sebastian PŁÓCIENNIK
Mitarbeiter am Polski Instytut Spraw Międzynarodowych – PISM (Polnisches Institut für Internationale Angelegenheiten, Warschau), einem staatlichen Institut für Forschung, Analyse und Weiterbildung im Bereich internationale Angelegenheiten, das dem polnischen Ministerpräsidenten und dem Außenministerium untersteht.
Aus dem Polnischen von Nancy Waldmann