Ab dem Jahr 2021 sollen Deutschlands und Polens Panzertruppen bestens abgestimmte Kampfverbände bilden können. Doch das Projekt kommt nur zäh voran. Was ist da los?
Die Unterzeichnung der deutsch-polnischen Armeekooperation erfolgte noch vor großer Bühne in Warschau. Polnische Generäle luden Anfang September 2015 ihre deutschen Pendants zum „Tag der polnischen Landstreitkräfte”, um die Wichtigkeit der Militär-Partnerschaft beider Länder hervorzuheben. Inzwischen lässt sich feststellen: Die Kooperation beider Armeen läuft nicht so richtig. Im vergangenen Sommer trafen sich die Heeresinspekteure beider Armeen, um jene Kooperation erneut abzustimmen. Diesmal jedoch ohne Pressemeldungen und großes Tamtam. Zu feiern gab es nämlich nichts.
Kern des deutsch-polnischen Plans, der nicht vorankommen will, ist das Einbinden eigener Verbände in die Panzertruppen des Partners. Das Panzergrenadierbataillon 411 der Bundeswehr soll unter das Kommando der polnischen 34. Panzer-Kavalleriebrigade kommen. Dieser Großverband wiederum bindet eines seiner Panzerbataillone an die 41. Panzergrenadierbrigade, aus der das Bataillon 411 stammt. Das erklärte Ziel: Eine Basis auch für deutsch-polnische Militäroperationen zu entwickeln. Die Bataillone sollen so gut in ihre Partner-Brigaden integriert werden, dass sie problemlos und zügig an diese andocken können. Damit das funktioniert, müssen Polen und Deutsche intensiv zusammen Trainieren und Ausbilden sowie ihre Führungsverfahren abstimmen.
Doch genau hier hapert es. Dauerhaft zum Partner abgestellte Verbindungsoffiziere für das Projekt, wie angedacht, fehlen bis jetzt. Es gibt höchstens gelegentliche Besuche. So schauten sich Bundeswehr-Offiziere an, wie die Polen einen Gefechtsstand führen und sichern. Die Militärs stecken noch mehr in der Kennenlernphase, als in der „Übungs- und Ausbildungsphase”. Dabei soll diese laut beschlossener Roadmap von Sommer 2016 bis Mitte 2019 laufen. Bis jetzt gibt es aber nur vereinzelte Trainings wie gemeinsame Panzeroperationen am Computer-Simulator. Umfassende Übungen der Einheiten im Gelände fanden noch nicht statt. Von einer abgestimmten Ausbildung sind Polen und Deutsche noch weit entfernt.
Ein gewichtiger Grund dafür ist, dass Polens Streitkräfte derzeit stark mit sich selbst beschäftigt sind. Seit die rechtskonservative Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) Ende 2015 die Regierungsgeschäfte übernahm, erlebt Polens Armee ihren radikalsten Umbau sei dem Ende des Kalten Krieges. Zum Lieblingsprojekt des damaligen Verteidigungsministers Antoni Macierewicz, der erst im Januar dieses Jahres im Zuge einer Regierungsumbildung seinen Posten verlor, wurde der Aufbau eines sogenannten Milizheeres als Teilstreitkraft neben der regulären Armee.
Diese „Armee zur Territorialverteidigung” soll auch Sinnbild sein für die sicherheitspolitische Agenda der PiS, die einen Kurs „eigener Stärke” propagiert. Konkret heißt das: möglichst viel polnische Eigenständigkeit im Militärischen. Die etablierte Generalität, die das Milizheer skeptisch sah, wurde schnell zur Intimfeindin des ambitionierten und selbst gegenüber Mitarbeitern misstrauischen Macierewicz. Dieser ging mit einer brutalen Personalpolitik gegen das Offizierskorps vor. Eines der ersten Opfer war Generalmajor Janusz Bronowicz. Der Inspekteur der polnischen Landstreitkräfte hatte noch im Sommer 2015 die Panzer-Kooperation mit den Deutschen aufgesetzt. Bald darauf wurde er abgesetzt. Viele kooperationserfahrene Militärs, die einst die Einbindung von Polens Armee in Nato-Strukturen managten, wurden in den Ruhestand gedrängt, zahllose Dienstposten neu besetzt. Deren Inhaber müssen sich erst noch einarbeiten. Kontinuität, der wesentliche Faktor für das Gedeihen von Kooperation, fehlt zurzeit im polnischen Militär.
Ein grundsätzlicher Ballast für die Panzer-Kooperation sind zudem die unterschiedlichen Interessen der Partner. Deutschland sieht das Projekt als Teil seines Vorhabens, sich als Koordinator eines europäischen Netzwerks militärischer Zusammenarbeit zu etablieren. Das Ziel der deutschen Politik ist „eine Armee der Europäer”, wie es im Entwurf zum Koalitionsvertrag von SPD und CDU heißt. Während die Deutschen auf einen politischen Mehrwert hoffen, zählt für die Polen der klare militärische Nutzen. „Entscheidend für Polen an der Kooperation ist der Zugang zur deutschen Expertise bei Leopard-Panzern, weniger die Einbindung in die europäische Wehrzusammenarbeit” so Marek Świerczyński, Militärexperte beim Beratungsunternehmen Polityka Insight in Warschau.
Gerade der Aufbau einer modernen Panzerstreitmacht, um Russland abzuschrecken, ist ein wichtiger Teil der Agenda eigener militärischer Stärke. Polen hat mit fast 1.000 Panzern die größte Panzer-Truppe Europas. Mehrheitlich handelt es sich dabei jedoch um veraltete Sowjetfabrikate. Die schlagkräftigsten Modelle sind 240 von Deutschland übernommene Leopard-2 Panzer.
Nun werden diese umgruppiert, was eine Vertiefung der deutsch-polnischen Panzerkooperation weiter verzögern dürfte. Für eine Strategie der Vorwärtsverteidigung verlegt das Militär die Leopard-2 nach Ost-Polen. So soll ein möglicher russischer Angriff rasch geblockt werden, ohne dass der Feind polnisches Territorium erobert. Von ihren beiden Leopard-Bataillonen hat der Partner-Großverband der Deutschen, die 34. Panzerkavalleriebrigade im westpolnischen Żagań, bereits eines an die 1. Panzerbrigade nahe Warschau abgegeben. Auch das zweite soll folgen. Kommt es dazu, muss sich die Bundeswehr auf neue Partnereinheiten mit T-72 Panzern einstellen, welche die Leopard-Panzer in Żagań ersetzen sollen. Das Kooperieren mit Einheiten, die mit deutscher Technik ausgerüstet sind, wäre militärisch sinnvoller. Aber bei der 1. Panzerbrigade muss erst die Infrastruktur für die Panzer aus deutscher Produktion hochgezogen werden. Dort fehlt es beispielsweise an Garagen und Ausbildungsressourcen. Das ist eine weitere Baustelle, die das deutsch-polnische Zusammengehen bei den Panzertruppen verzögern wird.
Wie der Anfang Januar ernannte polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak die Wehrkooperation mit Deutschland angehen wird, ist offen. Als Innenminister fuhr er einen harten Konfrontationskurs gegen Deutschlands Konzepte für eine EU-Flüchtlingspolitik. Sicherheitsexperte Świerczyński rechnet mit keinen radikalen Änderungen der bisherigen Linie. Die Panzer-Kooperation wird weiterlaufen, allerdings sehr schleppend und ohne von der Politik vorangetrieben zu werden.
Björn MÜLLER
Berlin, n-ost-Korrespondent. Das Korrespondenten-Netz von n-ost besteht aus Journalisten und Journalistinnen in mehr als 20 Ländern Europas. Sie liefern Reportagen, Porträts und Hintergrundberichte. Weitere Informationen finden Sie unter www.n-ost.org.
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