Ende Juni kamen Planer aus benachbarten polnischen Woiwodschaften und der deutschen Bundesländer nach Stettin. Zweck des Treffens war die Arbeit in einem Workshop zur Umsetzung des Gemeinsamem Zukunftskonzepts 2030 für den deutsch-polnischen Verflechtungsraum. Er umfasst die Woiwodschaften Westpommern, Lebuser Land, Niederschlesien und Großpolen, sowie die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Sachsen.
Das Gemeinsame Zukunftskonzept 2030 liegt als Dokument vor und wurde bereits 2016 verhandelt. Darin wird die Frage beantwortet, welche Bedeutung der deutsch-polnische Verflechtungsraum im Jahr 2030 für ein offenes Europa haben soll. Die Achsen dieses Raums sind bestimmt durch Oder und Lausitzer Neiße, die Grenzen bilden die Ostsee im Norden und der Gebirgszug der Sudeten im Süden.
Dieses Dokument charakterisierten prominente Teilnehmer*innen der Stettiner Kooperationstage als „Durchbruch”, und die Deutsch-Polnische Regierungskommission betonte, diese systematische Zusammenarbeit im Bereich von Raumplanung und Entwicklung trage zur wirksamen Koordination, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Verbesserung der Kohäsion und der Verringerung der Unterschiede zwischen den Regionen bei.
Das Potenzial und die Beharrlichkeit der polnischen Woiwodschaften und der deutschen Bundesländer bei der Forschung zum gemeinsamen Verflechtungsraum wurde auch von ESPON*-Experten wahrgenommen. Die Aufgabe des Europäischen Raumbeobachtungsnetzwerks ESPON EVTZ** ist es, eine wirksame Kohäsionspolitik durch Erarbeitung von Daten und Analysen europäischer, regionaler und lokaler Trends zu unterstützen, z. B. im Bereich Beschäftigung und Arbeitsmarkt, bei der Entwicklung von Ballungsräumen, in Bezug auf demografischen Wandel und öffentliche Dienstleistungen.
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Auf Initiative des ESPON-Netzwerks wurde in Stettin ein Workshop nach der Methode des kooperativen Lernens, des sogenannten peer-learnings, organisiert, an dem nicht nur Vertreter*innen des deutsch-polnischen Grenzgebiets teilnahmen. Auch andere europäische Regionen mit ähnlicher Erfahrung in der territorialen Zusammenarbeit waren vertreten, wie z.B. die österreichische Region Vorarlberg, die an die Schweiz und Liechtenstein grenzt, oder der englische Landkreis Coventry, der gemeinsam mit Birmingham und Wolverhampton einen Ballungsraum von über 4 Millionen Einwohnern bildet.
Die offene Formel des Workshops ermöglichte eine fachliche Diskussion über gemeinsame europäische Herausforderungen. Die Aufgabe der Teilnehmer*innen bestand darin, eine ‚roadmap’ zur Umsetzung der Zukunftsvision 2030 zu entwickeln. Es ging also darum, die Aufgaben und den Bedarfsrahmen zu formulieren, um einerseits eine Vertiefung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit zu erreichen und andererseits eine größere Aufmerksamkeit für diesen deutsch-polnischen Verflechtungsraum auf europäischer und nationaler Ebene zu erzielen.
Der erste Tag des Treffens war der Darstellung der Herausforderungen gewidmet, mit denen staatliche, lokale und Bundesbehörden sich konfrontiert sehen, wie auch der Entwicklung möglicher neuer Instrumente mit dem Ziel, das Problembewusstsein für ein gemeinsames Zukunftskonzept 2030 zu vertiefen und den Weg für neue Kooperationsprojekte zu ebnen.
Der zweite Tag des Treffens stand ganz im Zeichen der ‚roadmap’, also der Festlegung von Aktivitäten und Aufgaben sowie der Entwicklung von Ideen zur Verbesserung der Umsetzung der Zukunftsvision 2030. Die Partner*innen verlangten verstärkte Zusammenarbeit und Kommunikation im Netzwerk, Maßnahmen zur Vertrauensbildung zwischen den kooperierenden Institutionen, die Förderung des Zukunftskonzepts 2030 auf europäischer Ebene – beispielsweise während der Diskussion über die territoriale EU-Agenda oder während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2020. Auch die Notwendigkeit einer umfassenderen Einbeziehung lokaler Akteure und Verbündeter aus anderen, auch wirtschaftlichen und sozialen, Institutionen wurde betont.
Eine besondere Bedeutung maß man der grenzüberschreitenden deutsch-polnischen Zusammenarbeit bei. Die Partner einigten sich auf eine in Etappen eingeteilte Zusammenarbeit, d.h. auf die Benennung von Projekten, die verhältnismäßig schnell realisierbar sind, und unmittelbare Ergebnisse erzielen – im Unterschied zu Schlüsselprojekten, die häufig eine langfristige finanzielle und systematische Unterstützung voraussetzen. Die wichtigsten, aus dem Workshop resultierenden Verpflichtungen lauten: Partner*innen motivieren und inspirieren, das Denken nur an den eigenen Vorteil überwinden und verlässliche Informationen und sogenannte „Beweise” übermitteln.
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Als Ergebnis des Treffens in Stettin soll zusammen mit dem europäischen Raumbeobachtungsnetzwerk (ESPON) ein Bericht erstellt werden, der sich mit der Entwicklung von Instrumenten befasst, die es ermöglichen, die Vorteile einer polyzentrischen Siedlungsstruktur im deutsch-polnischen Verflechtungsraum zu stärken und zu nutzen. Darüber hinaus soll es eine Reihe von Vorschlägen für konkrete Verpflichtungen und Maßnahmen zur Realisierung der Zukunftsvision 2030 geben. Diese Resultate sollen auf dem Treffen des Raumplanungsausschusses im September dieses Jahres in Breslau vorgestellt werden.
Die Workshopteilnehmer*innen haben als Mitglieder des Ausschusses für Raumordnung der Deutsch-Polnischen Regierungskommission für regionale und grenzüberschreitende Zusammenarbeit gemeinsam an der Entwicklung der Zukunftsvision 2030 für den deutsch-polnischen Verflechtungsraum mitgewirkt. Ein Dokument in polnischer, deutscher, englischer und französischer Sprache finden Sie unter https://www.kooperation-ohne-grenzen.de/
Leszek JASTRZĘBSKI
Julita MIŁOSZ-AUGUSTOWSKA
Regionales Raumplanungsbüro der Woiwodschaft Westpommern in Stettin
*ESPON – Europäisches Netzwerk zur Beobachtung der Raumentwicklung in Europa
**EVTZ – Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (bündelt Fördergelder und verteilt sie im Rahmen von Dienstleistungsaufträgen zentral an die raumwissenschaftlichen Institute).
Textkorrektur deutsch von Ruth HENNING